Seit dem 24. August hängen einige meiner PapierZen-LiteraturArt-Bilder in der Stadtbibliothek in Gotha. Die Ausstellung ist bis Ende September während der Öffnungszeit der Bücherei zu sehen. Da mich die Leiterin der Bücherei um einen kleinen Leitfaden gebeten hat, verrate ich hier ausführlicher, was es mit den Bildern auf sich hat. Ich lasse den Text in der dritten Person, also nicht wundern beim Lesen 🙂 (Das Bild links heißt übrigens „Froh zu sein …“ – ratet mal, wen die Besucher:innen der Ausstellungseröffnung dann gefunden haben 🙂 )

„Vielfalt in Rot“ (2020)

Birgit Ebbert war 2019 als Stadtschreiberin in Gotha, sie ist hauptsächlich Autorin, um aber vom Computer wegzukommen, hat sie 2015 begonnen, kreativ mit Papier zu arbeiten. Nach einem Origami-Workshop zur Auffrischung der Kenntnisse aus ihrer pädagogischen Ausbildung suchte sie nach Wegen, etwas anderes als Tiere zu falten. Dabei entdeckte sie den Pädagogen Friedrich Fröbel und seine sogenannten Schönheitsformen. Der Gründer der Kindergärten hat schon Mitte des 19. Jahrhunderts angeregt, die Kinder symmetrische Formen aus Papierquadraten falten zu lassen. Damit sollten sie einerseits ein Gespür für mathematische Grundlagen wie Quadrat, Rechteck, Dreieck, Hälfte, Viertel bekommen und andererseits ihren Sinn für Ästhetik und Schönheit schulen.

Die neue Lust am Papierfalten ging bei Birgit Ebbert einher mit dem Wunsch, ihre Texte unabhängig von Verlagen zu veröffentlichen. Bei der Ausstellungseröffnung erzählte sie, dass sie die Künstlerinnen und Künstler beneidet hat, die ohne Lektor und Redaktion ihre kreativen Impulse umsetzen konnten. So sind anfangs Bilder entstanden, in denen sie kurze Texte mit Papierelementen verbindet, später hat sie auf die Texte dann teilweise verzichtet.

Die kurzen Texte bergen eine Besonderheit. Die Wörter in den Gedichten sind ausnahmslos alle aus den Buchstaben des Titels gebildet. Die Herausforderung war, aus einer Wortsammlung, teilweise ohne Artikel und verbindende Wörter, ein Text zu kreieren, der eine Botschaft enthielt.

1. Tetris

Das Bild „Tetris“ ist das einzige Werk, das hier ausgestellt ist, das schon in der allerersten Ausstellung im Herbst 2016 zum zehnjährigen Jubiläum der Selbstständigkeit von Birgit Ebbert gezeigt wurde. Hier finden sich daher Text und Schönheitsformen wieder. Der Titel kommt Ihnen vielleicht bekannt vor, er ist der Name eines Baukastenspiels am Computer, das Birgit Ebbert – wie sie verraten hat – während der Arbeit an ihrer Dissertation in den 90er Jahren zur Entspannung gespielt hat.

2. Hommage an Mondrian (2019) und andere Bilder aus Schönheitsformen

Die sogenannten Schönheitsformen in einer ganz bestimmten Form, die Birgit Ebbert selbst entwickelt hat, bilden den Schwerpunkt der ersten Bilder wie man an dem Werk „Hommage an Mondrian“ aus 2019 sieht. Sie kennen vielleicht Bilder oder Materialien, die diese markante Fensterstruktur aufweisen, das war ein Markenzeichen für den niederländischen Künstler Piet Mondrian (1872 -1944).

Aus dieser Technik der Schönheitsformen bestehen auch die Bilder „Vielfalt in Rot“ (2020) und „Hommage an Miró“ (2021). Das Vorbild dieses Bildes ist ein Straßenmosaik des spanischen Künstlers Joan Miró in Barcelona.

Auch das Bild „Frieden“ besteht aus Schönheitsformen, es zeigt das Friedenszeichen und wenn man von weitem genau hinsieht, kann man das Wort „Frieden“ lesen, das aus kleinen Kranichen gebildet wird. Dieses Bild entstand 2017 im Rahmen einer Installation aus 1.000 Kranichen für den Frieden.

Eine japanische Legende besagt, dass ein Herzenswunsch in Erfüllung geht, wenn man 1.000 Kraniche faltet. Aus dieser Legende ist eine weitere Geschichte entstanden. Als die 12-jährige Japanerin Sadako Sasaki 1955 an Leukämie erkrankte infolge der Atomstrahlung, der sei beim Abwurf der ersten Atombombe auf Hiroshima ausgesetzt wer, faltete sie Kraniche in der Hoffnung wieder gesund zu werden. Sie ist im Oktober 1955 verstorben, aber ihre Freunde und Freundinnen haben dafür gesorgt, dass sie und der Grund ihres Todes nicht vergessen werden. Im Hiroshima-Park steht eine Statue für Sadako Sasaki und jährlich falten überall auf der Welt Gruppen 1.000 Kraniche für den Frieden und schicken sie nach Hiroshima. Dort landen bis zu 10 Millionen Kraniche im Jahr.

Birgit Ebbert hat 2017 mit Bürgerinnen und Bürgern in ihrem Wohnort Hagen über 1.000 Kraniche gefaltet, aufgefädelt und als Installation aufgehängt, ehe sie nach Hiroshima geschickt wurden.

3. Comic (oben) & Ankerpunkte (unten) (beide 2019)

Bei der Suche nach alternativen Faltmodellen zu Tieren, wie sie viele Origami-Anhänger falten, hat Birgit Ebbert sich an Papierbasteleien aus ihrer Kindheit und ihrer pädagogischen Arbeit erinnert. Außerdem sammelt sie historische Bastelbücher und lässt sich davon inspirieren. Für die beiden Bilder „Comic“ und „Ankerpunkte“ hat sie auf die klassische Papierziehharmonika zurückgegriffen, aus der wir vermutlich alle einmal einen Fächer gefaltet haben. Diese Fächer sind aus Altpapier gefaltet, aus alten Comicheften und Reisekatalogen.

4. Unter den Wolken

Beim Stöbern in alten Büchern stieß Birgit Ebbert auch auf die Anleitung für diese „Zahnräder“, wie sie sie nennt. Die Anleitung stammt von Paolo Bascetta, der auch den „Bascetta-Stern“ erfunden hat, den vielleicht manche von Ihnen kennen. Dieses „Zahnrad“ ist weniger bekannt, aber es wirkt so besonders, dass Birgit Ebbert einige Zahnräder aus Reisekatalogen gefaltet und dieses Bild gestaltet hat.

5. Hommage ans Bauhaus (2019)

An diesem Bild hat Birgit Ebbert unter anderem 2019 in Gotha gearbeitet. Es wurde für die Ausstellung zum Thema „Bauhaus“ im Kunst- und Atelierhaus Hagen konzipiert. Das Bild besteht aus rund 400 sogenannten Hexentreppen. Das ist eine Falttechnik, bei der zwei Papierstreifen abwechselnd übereinander gefaltet werden. Sie kennen die sicher als Schlange oder Krokodil oder Beine eines Clowns. Wer sich etwas mit Bauhaus auskennt, findet das rote Quadrat, das gelbe Dreieck und den blauen Kreis wieder.

Dieselbe Technik wurde auch für das Bild „Froh zu sein …“ (siehe oben) verwendet, das auf der Staffelei neben dem Eingang steht. Allerdings sind diese Streifen nur 1 cm breit!

6. ZEIT (2020)

Das Bild „Zeit“ hat Birgit Ebbert für eine Ausstellung in Hagener Bibliothek erstellt. Dort wurden ausschließlich Bilder mit Geschichten und Symbolen gezeigt und dafür wollte sie ein Wortbild gestalten, in dem eine Geschichte versteckt ist. Jedes Kästchen enthält den Abschnitt einer längeren Geschichte. Bei der Ausstellungseröffnung hatte eine Teilnehmerin die Idee, das Konzept für einen Adventskalender für ihre Schülerinnen und Schüler anzuwenden.

7. Reisefieber (oben) & Nostalgie (unten) (2023)

In ihren neuesten Bildern verbindet Birgit Ebbert wieder Texte mit Schönheitsformen und ergänzt diese um Bilder, die zu eigenen Geschichten anregen sollen. Wer genau hinsieht, erkennt hier das Gitter von Piet Mondrian wieder. Die Idee zu diesem Bildkonzept hatte Birgit Ebbert in der Ausstellung „Re-Inventin Mondrian“ in Wolfsburg mit Werken von Künstlern, die sich an Mondrian orientiert haben. © 2023 www.papierzen.de