Entspannen mit Papier

„The Occupations“ von M. Kraus-Boelte & J. Kraus (1892)

Maria Kraus-Boelte (1836-1918) und ihr Mann John Kraus, die das Buch „The Occupations …“ geschrieben haben, den zweiten Band des „Kindergarten Guide“ waren die ersten, die in den USA in den 1870er-Jahren einen Fröbel-Kindergarten eröffnet haben. In diesem Teil des Handbuchs beschreiben sie die Beschäftigungen aus dem Konzept des deutschen Kindergarten-Erfinders.

Die mir vorliegende Version ist ein Reprint, der die dritte Auflage des Buches aus 1892 wiedergibt, die erste Auflage erschien 1882 (Bei Wikipedia wird 1877 als Erscheinungsjahr angegeben, aber ich vermute, das bezieht sich auf Band 1 Die Gaben.). Der „Kindergarten-Guide“ diente dazu, in den USA Mütter und Kindergärtnerinnen auszubilden, daher wurden die einzelnen Beschäftigungen ausführlich vorgestellt. Es handelt sich jedoch nicht um eine 1 zu 1-Übersetzung, an manchen Stellen finden sich Ergänzungen und Weiterentwicklungen zu dem, was im deutschen Kindergarten-Handbuch von Bertha von Mahrenholtz-Bülow (1810-1893) dargelegt wurde.

Die Beschäftigungswege mit Papier

Die fünfte Beschäftigung, das Verschnüren von Papierstreifen, beschränken die beiden Autor:innen nicht auf das Weben, das bei uns unter Flechten verstanden wird. Im ersten Schritt werden die Kinder ermuntert, Gegenstände mit Papierstreifen einzuwickeln. Dann falten sie Hexentreppen, die den reizenden Namen „fairy-steps“ (Feenschritte 🙂 ) tragen, und einen Fröbelstern. Erst danach werden die Kinder ermuntert, aus den Papierstreifen geometrische Muster zu falten und diese zu Figuren anzuordnen. Ich habe vor Jahren versucht, das nachzumachen, da braucht man schon Geduld, das kann ich sagen, ein Ergebnis gibt es noch nicht 😊

Mit Papierstreifen geht es auch in der sechsten Beschäftigung weiter, dem Weben. In dem Buch wird erklärt, was dafür vorbereitet werden muss und wie eine Nadel beim Fädeln helfen kann. Dann folgen die Muster mit steigendem Schwierigkeitsgrad, die ich aus einem meiner alten Musteralben kenne. Neben den einfachen Deckchen werden Modelle für Fortgeschrittene vorgestellt, ein Windlicht, ein Buchumschlag eine Schale und natürlich Lesezeichen in verschiedenen Formen.

Die siebte Beschäftigung ist schließlich das Papierfalten, hier finden sich Lebensformen, die vom einfachen zum schwierigen Falten eingeführt werden. Der Schrank wird sogar zum Tisch, wenn man ihn mit aufgeklappten Türen auf den Tisch legt. Das ist auffällig, dass hier andere Modelle bzw. Namen verwendet werden, das „Buch“ ist auch ein „Zelt“, das zweimal in der Mitte gefaltete und dann geöffnete Papier ist ein Fenster, aus dem der Schank entstehen kann. Schnell ist ein Schweinchen gefaltet, ein Haus, ein Sofa – ja, das steht da „a pretty little ‚sofa‘“ (S.259)

In der dritten Serie der Lebensformen finden sich mit dem Segelschiff und der Flagge weitere Formen, die ich nicht kannte, ehe dann der geöffnete und geschlossen Brief und dann das Salzfass – „a salt cellar“ – entsteht. Aus diesem Himmel- und Hölle-Modell wird die Königskrone entwickelt. Vogel und Ente finden sich ebenso wie die geöffnete Blüte, die Geldbörse, die Windmühle und der doppelte Kahn. Am Ende des Abschnitts über die gefalteten Lebensformen erfahren die Leser:innen, wie sie die Faltelement für Situationen nutzen, einen Tisch mit Stühlen und Tassen und eine Ankleidepuppe. Auf der Seite von David Mitchell findet ihr weitere Informationen und Modelle. Ich hatte vor einiger Zeit mal den Tisch mit Stühlen und Bechern gefaltet – nach einem Buch aus dem 50er-Jahren, glaube ich.

Die Wiederentdeckung der Schönheitsformen

Mich hat erstaunt, dass sich in dem Buch so viele verschiedene Varianten der gefalteten Schönheitsformen finden. Als ich vor gut acht Jahren begann, mich damit zu beschäftigen, fand ich kaum Information und war froh über jede neue Modifikation, die mir einfiel. Vor allem war ich so stolz auf meine Idee, aus diesen Schönheitsformen Bilder zu gestalten – und nun, nun habe ich das Buch des Ehepaars Kraus-Bölte mal komplett durchgesehen und finde tatsächlich den Vorschlag, aus den gefalteten Quadraten Bilder zu entwickeln und nicht nur das, in der Zeichnung wird sogar meine Lieblingsvariante genutzt. Ich bin direkt froh darüber, dass ich vorher schon entschieden habe, dass es erst einmal keine neuen Bilder gibt. Aber es bestätigt natürlich meinen Gedanken, dass Dinge Zeit und Raum überschreiten bzw. verbinden. 140 Jahre liegen zwischen den ersten Zeichnungen und meinen letzten Bildern! © 2024 Dr. Birgit Ebbert www.PapierZen.de

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Schönheitsformen aus einfacher Grundform

  1. Anonymous

    Liebe Birgit
    Es ist spannend was du alles entdeckst.
    Ich bin mit den Fröbelvarianten noch nicht fertig. Zu meiner Überraschung musste ich feststellen, dass ich die Schönheitsformen A ab Nr. 10 nicht falten konnte. Es gab einfach andere Muster. Ich bleibe weiter dran.
    Liebe Grüsse
    Liselotte

  2. BEbbert

    Liebe Liselotte,
    ich finde es auch spannend, die alten Bücher zu entdecken und vor allem zu sehen, wie viele Modelle es schon mehr als 100 Jahre gibt.
    Wegen der Schönheitsformen, die du nicht falten konntest, werde ich es mal probieren und wenn es klappt einen Beitrag mit Anleitungen schreiben.
    Liebe Grüße Birgit

  3. BEbbert

    Liebe Liselotte,
    ich war heute gerade mal im Faltfieber und habe die Formen von Tafel 9 ausprobiert 🙂
    https://www.papierzen.de/schoenheitsformen-aus-einfacher-grundform/
    Liebe Grüße Birgit

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