Ich habe in den letzten zwei Jahren viel Zeit damit verbracht, über Papierkunst zu recherchieren und dabei viel gelernt und auch manche Inspiration mitgenommen. Und trotzdem hatte ich bis zu dem Tag, als Hermann Künert mich anrief, von seiner Papyrografie noch nichts gehört. Gibt man den Begriff in eine Suchmaschine ein, erhält man sogar eine Definition, Papyrografie heißt ins Englische übersetzt papyrography, definiert als „using paper stencils“, sprich: Arbeit mit Papierschablonen. Etwas Ähnliches soll wohl auch die niederländische Umschreibung „Kartonsteendruk“ bedeuten. Aber das ist es nicht, was Hermann Künert unter Papyrografie versteht. Er gestaltet Bilder aus vielen Papierschichten, die durch die Betrachtung vor einer Lichtquelle erst ihre ganze Schönheit entfalten. Ich habe versucht, die Werke zu fotografieren, und hoffe, dass wenigstens ein kleiner Eindruck von der Wirkung zu erkennen ist.
Und so sieht das Bild oben ohne Lichtquelle aus – frankierte Seite und Textseite:
Mailart – Papyrografie per Post
Ein Projekt, das Hermann Künert in den letzten Jahren beschäftigt hat, ist die Mailart KsReisen. Hierfür gestaltet er ganz besondere Postkarten. Es sind aus Presspappe hergestellte Rahmen im Postkartenformat (148 x 105 x 10 – 15 mm). In diesen Rahmen wird die Papyrografie eingearbeitet, meist im Format von etwa 6 x 4 cm. Auf der Vorder- und Rückseite der Objekte sind der Text zum Bild sowie die Adresse und Briefmarke platziert. Die Post befördert die Exponate wie jede andere Sendung. Ja, das ist wirklich so, ich habe selbst eines bekommen. Die Kunstwerke werden mit der gelben Post verschickt. Die 3-D-Bilder werden ergänzt um Zitate von Wissenschaftlern, Entdeckern, oder Schriftstellern etc. rund um das Reisen. Der Text zum Kunstwerk, das ich bekommen habe, lautete: „Bin in Lappland unterwegs, mein Herbarium füllt sich! Im Juni 1732 Carl von Linné“. Mit gleicher Post bekam ich eine Postkarte mit Informationen über Carl Linné. Ich bin begeistert und stolz, dass ich ein so tolles Kunstwerk in meinem Regal stehen habe.
Der Künstler Hermann Künert
Hermann Künert gehört zu den Künstlern, die eher im Verborgenen wirken, er ist nicht bei Facebook und hat – noch – keine Internetseite, aber seine Werke werden immer wieder ausgestellt und im kommenden Winter werden sie sogar im Papiermuseum in Düren zu sehen sein. Das solltet ihr euch auf jeden Fall vormerken.
Auf die Idee zu den Papyrografien kam der gelernte Grafiker, der übrigens auch 22 Jahre im Ruhrgebiet gelebt hat, durch einen Zufall. Er zerriss Papier und stellte fest, dass die Risskante aussah wie eine Berglandschaft. Das hat ihn inspiriert, dem Zufall auf die Sprünge zu verhelfen. Mit Zirkelspitze und Messer hat er das Papier bearbeitet, bis sich vor ihm kleine Welten auftaten.
Das war die Geburtsstunde der Papyrografie, die Hermann Künert seit 2006 erstellt. Er entwickelt seine Technik stetig weiter, wurden die ersten Objekte noch aus einem Stück geritzt, gerissen und gestochen, werden die heutigen Bilder aus verschiedenen Papierschichten zusammengestellt. Inzwischen setzt er neben Zirkelspitze und Cuttermesser Zahnarzt-Werkzeug ein und variiert das Papier; von der Küchenrolle bis zum Zeichenkarton nutzt er alles, um seine Vision einer Landschaft umzusetzen. Stellte Hermann Künert anfangs fiktive Landschaften dar, ist er später dazu übergegangen konkrete Landschaften unter dem Titel KsReisen wiederzugeben. Dabei lässt er sich von Werken aus der Bildenden Kunst, aber auch alten Grafiken anregen, denn gesehen hat er das meiste nicht, was er in Papier bringt. Die Kunstwerke sind seine Art zu reisen, weshalb die Werke den Titel „KsReisen“ tragen. Eine spannende Papierkunst, das sind eben die schönen Seiten des Internet, dass man auf diesem Weg wunderbare Kleinode kennenlernt, die einem sonst nicht begegnet wären. Und bald dann vielleicht noch mehr in der ersten Realität – entweder im Winter in Düren oder vielleicht auch im Sommer im Schwarzwald, wo Hermann Künert lebt. Aber dazu kann ich jetzt noch nichts sagen, denn das hat mit einer möglichen Ausstellung meiner Papierkunst zu tun 🙂 Ich werde auf jeden Fall berichten.
Bericht über eine Ausstellung der Kunstwerke in Nagold