Als ich entdeckt habe, dass in der Kunsthalle Vogelmann in Heilbronn eine Ausstellung mit Papierskulpturen gezeigt wird, war klar, dass ich dorthin wollte. Da passte es gut, dass ich ohnehin in Stuttgart war, um meine Ausstellung Literaturart mit Papierfaltobjekten auf- bzw. abzuhängen. Am Mittwoch war es endlich soweit und ich war begeistert. (Foto zeigt „Flying Boxes“ von Thomas Hirschhorn)
Skulpturen aus Papier
Papierskulpturen von Künstlern sind keine Erfindung unserer Zeit, das war die erste neue Erkenntnis, die ich im Zusammenhang mit der Ausstellung gewonnen habe. Bereits 1912 hat Pablo Picasso die Skulptur einer Gitarre aus Pappe gestaltet (hier ist ein YouTube-Video, in dem sie zu sehen ist ) Dass mit Papier schon früher gestaltet wurde, weiß ich natürlich 🙂 – die Schönheitsformen von Fröbel stammen aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Aber in der Heilbronner Ausstellung ging es um Skulpturen aus Papier, da Skulpturen den Schwerpunkt der Kunsthalle Vogelmann bilden. Picassos Gitarre war leider nicht zu sehen, aber dafür andere tolle Werke.
Die Papierskulpturen der Ausstellung
Ich gebe zu, dass ich nicht alle Künstler, deren Werke ausgestellt wurden, vorher kannte, aber es ist ja gerade der Sinn einer solchen Ausstellung Aha-Erlebnisse zu schaffen und neue Künstler in den Blick zu rücken. Da waren zum einen Collagen von Kurt Schwitters, die ich in ähnlicher Form kannte – ich habe nachgeschaut, es sind doch schon 17 Jahre her, seit ich die MERZ-Ausstellung mit seinen Werken in Düsseldorf besucht habe, wie die Zeit vergeht! Neu war für mich, dass auch Robert Rauschenberg Papier in einigen Bildern verwendet hat. Amüsiert habe ich mich über die „Literaturwurst“ von Dieter Roth, der die „Blechtrommel“ in einen Wurstdarm gepresst hat. Pfiffig fand ich die Idee der Kissenformen aus Papier von Franz Erhard Walther, das werde ich demnächst mal mit dem Restexemplar eines Buches nachmachen. Manche Skulpturen wirkten so einfach wie „Color Round“ von Dan Flavin, da hätte ich gerne gewusst, welche Idee dahinter steckt. Am meisten gefesselt haben mit die beiden großen Rauminstallationen – nicht, weil sie so groß waren, sondern weil sie mir bestätigten, welch spannende Objekte man aus einfachem Material schaffen kann.
Rauminstallationen von Thomas Hirschhorn und Karla Black
Da sind zum einen die „Flying Boxes“ von Thomas Hirschhorn, für die verschiedene mit Fotos und Texten beklebte Kartons mithilfe von Schnüren in den Raum gespannt wurden. Im ersten Moment sah ich eine Verladestelle für Pakete, die für mich wild, vielleicht aber nach einem System durcheinander geworfen wurden. Dann habe ich mich gefragt, ob sich Paketzusteller wohl Gedanken machen, was in den Kartons ist, die sie verteilen – Stoff für eine Geschichte, oder? Schließlich habe ich die Fotos und Texte auf den Kartons entdeckt und mich darin vertieft. Dank des Plakats dieser Installation und meiner Fotos kann ich noch genauer hinschauen – vielleicht, wenn ich doch eine Geschichte darüber schreibe 🙂
Die zweite Großinstallation ist „Presume Potential“ von Karla Black (siehe Foto), die keine Assoziationen mit Alltagsdingen hervorrief und mich dadurch eher durch ihre Ästhetik fesselte – hellrosa und hellblau besprühtes, zerknülltes Papier, das mit weißen Bändern an der Decke angebracht war und im Raum hing.
Papier – gefaltet und geschnitten
Das ist sicher das Besondere an dieser Ausstellung, dass er ein breites Spektrum zeigt, was mit Papier möglich ist. Neben den Rauminstallationen haben mich die Fotos der Papierarbeiten aus dem Vorkurs Albers von 1927 besonders interessiert. Die Arbeiten sind immerhin 90 Jahre alt und sind vergleichbar mit dem, was man heute als „Kirigami“ bezeichnet. Ein Blatt Papier wird nach einem bestimmten Muster eingeschnitten und gefaltet. Da werde ich weiter recherchieren und es wird sicher noch ein ausführlicher Beitrag kommen 🙂 Vielleicht gibt es ja auch davon in der Kunsthalle Vogelmann gelegentlich mehr zu sehen, im Vorwort des Katalogs ist zumindest davon die Rede, dass man sich mehr dem Thema Papier und Glas widmen möchte.
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