Ich habe gestern eine außergewöhnliche Skulptur geschenkt bekommen, die aus Terrakotta und Papier besteht. Sie ist signiert mit Eugenio Galli und mit einem Anhänger versehen. Darauf steht: Eugenio Galli – Cartapesta, Terracotta Pietra Leccese und eine Adresse im italienischen Lecce. Nun wollte ich natürlich wissen, was es mit dieser Skulptur auf sich hat.

Cartapesta heißt Pappmaché

In dem Kärtchen steht ein italienischer Text, den ich allerdings schlecht lesen kann – weil ich kaum Italienisch verstehe und weil das Kärtchen an der Figur befestigt ist und ich es abtrennen müsste, um es ganz aufzuklappen. Aber ich möchte wissen, was es mit der Figur auf sich hat. Ich dachte zuerst, dass es sich dabei um diese Sammlungsfiguren handelt, wie sie in den 80er Jahren angeboten wurden – meine Eltern haben aus der Zeit noch Sammelteller mit Vogelmotiven. Allerdings finde ich im Internet kaum solche Figuren und heutzutage wird doch alles erst einmal bei ebay oder picclick angeboten. Eine einzige Figur habe ich gefunden, bei der deutlich auch mit Papier gearbeitet wurde, aber eine andere als mein Clown. Immerhin weiß ich nun, dass Cartapesta Pappmaché heißt 😊

Werkstatt von Eugenio Galli in Lecce

Bei flickr fand ich schließlich ein Foto des Künstlers oder eines Kunsthandwerkers bei seiner Papierbearbeitung und dort entdeckte ich auch eine ähnliche Figur wie meine  – der Fotograf bezeichnete die Figur als „A Puckish Elf (Cartapesta Leccese – Lecce)“ und verwies auf das „Laboratorio Galli“. In derselben Quelle fand ich auch das Bild eines Hulahoop-Mädchens, das in derselben Technik aus Terracotta und Cartapesta hergestellt wurde. auf weiteren Fotos (Bild1 Bild 2) kann man sehen, wie das Papier mit einem heißen Eisen, das in den Flammen eines alten Gasherdes erhitzt wird geformt wird. Und es wird deutlich, dass es sich um eine größere Produktion identischer Figuren handelt, die allerdings alle von Hand gefertigt werden. Da auf den Bildern mal ein Mann (Schwarz-weiß-Fotos) und mal eine Frau zu sehen ist, die an Figuren arbeiten, wird es sich tatsächlich um eine Werkstatt handeln, in der nicht nur Eugenio Galli arbeitet oder vielleicht auch Kunsthandwerker nach seinen Vorbildern.

Aber nun wollte ich wissen, wer Eugenio Galli ist oder war. Die Adresse von dem Schild taucht immerhin in einem Touristenportal auf – leider ohne weitere Informationen. Und dann fand ich dieses Video! Über das Atelier Eugenio Galli in Lecce mit einem Interview mit Eugenio Galli und einer Dokumentation, wie die Figuren entstehen. Was für eine tolle Arbeit. Am besten schaut ihr euch das selbst an. Kurz zusammengefasst: Körper aus Terrakotta werden mit Kleisterpapier, das leicht angetrocknet ist beklebt und das Papier wird geformt.

Nun weiß ich auch, dass der Mann auf den schwarz-weiß-Fotos Marco Galli ist. Aber schaut euch das Video an, es ist wirklich toll, ich würde mich am liebsten gleich auf den Weg machen, um mir das Atelier und den Laden anzuschauen – bis dort sind es allerdings knapp 1.900 km und das Video wurde vor 9 Jahren gedreht!

Hier sind noch zwei Tutorial zu den Figuren (Tutorial 1 Tutorial 2)

Lecce – die Hauptstadt des Pappmaché

Bei der Suche nach Informationen bin ich auf ein weiteres interessantes Video gestoßen und davon schwer beeindruckt. Dank der englischen Untertitel kann ich verstehen, dass die Decke bzw. die Deckengestaltung der Kirche Santa Chiara aus Pappmaché ist, vermutlich aus dem 17. Jahrhundert, aber dies wurde erst vor wenigen Jahren entdeckt. Auch die Figuren an der Kirche sind aus Pappmaché, dank der Glasplatten davor haben sie sich über 200 Jahre gehalten. In Lecce gibt es tatsächlich eine Via della Cartapesta. Bisher hat mich Pappmaché ja nicht interessiert, aber da will ich hin! Im 16. Jahrhundert (!) hat man dort begonnen, Heiligenfiguren aus Pappmaché herzustellen. 😊 Der Stadtführer in dem Video erzählt, dass sie auf die Idee gekommen sind, weil Kreuze aus Pappmaché bei der Prozession nicht so schwer zu tragen sind bzw. waren wie Holzkreuze. Nachdem der Papierwerker in dem Video mehrfach betont hat, dass Lecce die Hauptstadt des Pappmaché ist, habe ich doch auch deutschsprachige Seiten über den Ort gefunden. Hier sind ein paar Links:

https://sonoitalia.de/lecce-und-seine-pappmaschee-kunst/

https://www.spiegel.de/reise/europa/skulpturen-kunst-in-lecce-heilige-aus-stroh-und-papier-a-1083614.html

https://www.inizio-concepts.com/tipp-pappmaschee.php

Es gibt sogar ein Museum: https://www.tripadvisor.de/ShowUserReviews-g194791-d2478816-r124827882-Museo_della_Cartapesta-Lecce_Province_of_Lecce_Puglia.html

https://meinapulien.wordpress.com/tag/pappmache-figuren/ (Das ist ein etwas ausführlicherer Bericht über die Stadt, den ich verlinke als Vorbereitung meines Urlaubs in der Region 😊 )

Ein Rätsel bleibt

Gebe ich Eugenio Galli in die Suchmaschine ein, finde ich einen Künstler mit demselben Namen. Allerdings aus Seregno, gut 1.000 km von Lecce entfernt. Er arbeitet mit Papier und die Bilder sehen teilweise doch so aus, als arbeite er Pappmaché, was vielleicht nur so wirkt. Schaut selbst. (Link zum Bild) Auf der Website wird die Werkstatt in Lecce nirgends erwähnt, also doch zwei verschiedene Künstler? Ich glaube, da brauche ich jemanden, der Italienisch lesen kann, vielleicht lässt sich aus der Biografie etwas ablesen. Das Rätsel lasse ich heute offen, weil ich die Figur und ihr Herkunftsort auch so spannend sind. © April 2023 Dr. Birgit Ebbert www.papierzen.de