Eigentlich habe ich keine Zeit, einen Blogbeitrag zu schreiben – ich muss falten! Aber ich vielleicht kann ich den einen oder die andere mit dem Artikel motivieren, sich – wenn es demnächst dunkler wird – auf verborgene Fähigkeiten und vergessene Bastelfreuden zu besinnen. Ich jedenfalls habe mich bereits für den nächsten Workshop angemeldet und habe mich auch gleich mit Faltpapier eingedeckt.
Aber noch einmal zurück, wie ich überhaupt Origami wieder entdeckt habe. Vor über einem Jahr bin ich in der Kooperative K Happy Guy begegnet, der Vögel faltet, sie auf Äste klebt und freilässt, um anderen Menschen eine Freude zu machen. Wer will kann sie mitnehmen oder sich auch einfach so daran erfreuen. Er hat mir damals erzählt, dass er auf die Idee kam, nachdem er zur Entspannung angefangen hatte, Vögel zu falten und nicht mehr wusste, wohin damit. Falls also in Hagen demnächst überall gefaltete Kraniche herumstehen, habe ich die Idee aufgegriffen 🙂
Zwei Monate später, als ich im National Novel Writing Month an einem Roman arbeitete, habe ich der Protagonistin angedichtet, dass sie einen Delfin faltet. Um zu sehen, ob meine Idee überhaupt realistisch ist, habe ich eine Faltanleitung für einen Delfin im Internet gesucht und am Ende ein mehr oder weniger als Delfin erkennbares Etwas gefaltet.
In diesem Herbst kam dann irgendwie alles zusammen – Happy Guy war wieder in der Kooperative K und dort stand ein großer Baum voller Faltvögel, ich wollte ein Geschenk zum Geburtstag einer Freundin basteln, bekam dadurch plötzlich wieder Freude am Basteln mit Papier und sah bei Facebook, dass die Buchhandlung im Rathaus einen Origami-Kurs anbot. Also habe ich mich kurzerhand angemeldet, neugierig auf den Kurs und darauf, ob brach liegende Fähigkeiten aus Kindheit und Jugend wirklich nach so langer Zeit reaktiviert werden können. Ja, können sie und auch die Begeisterung, die man als Kind an einer Beschäftigung hatte.
Das lag sicher an der sehr witzigen Art, wie Dirk Bruchmann uns anleitete, aber vielleicht kam auch bei allen Teilnehmerinnen die innere Freude eines Kindes beim Tun einer Sache durch. Wir haben jedenfalls viel gelacht und wenn man sich die Fotos anschaut, kann man vielleicht erahnen, dass nicht jeder Schritt bis zum fertigen Objekt ein Vergnügen war. Aber alle konnten am Ende hübsche Ergebnisse mit nach Hause nehmen – ok, mein Kranich sah eher wie ein Drache aus, aber es ist noch keine Meisterin vom Himmel gefallen
Dirk Bruchmann, der sich „Der Komplettierer“ nennt, und in Wehringhausen einen Suchdienst für Bücher, Comics, Musik und Film betreibt, kam auf deutlich seltsamere Weise zum Origami als ich. Vor einigen Jahren schenkte ihm eine Freundin zum Geburtstag einen Origami-Kurs. Das stimmt nicht ganz, sie schenkte ihm etwas, von dem sie halb erwartete, dass es ihm nicht gefallen würde. Angesichts der Gruppe von Senioren, zu der sie ihn brachte, sah es auch fast danach aus. Allerdings war die Origami-Lehrerin so mitreißend, dass aus dem Überraschungsgeschenk ein Hobby geworden ist, das er seit einigen Jahren auch in Kursen weitergibt. Unter anderem in der Buchhandlung am Rathaus, die in unregelmäßigen Abständen Abendworkshops anbietet – kürzlich einen lange vorher ausgebuchten Zentangle-Kurs und gestern eben den Origami-Workshop, der am 10. November eine Fortsetzung findet. Ich bin wieder dabei.
Gerade fällt mir ein, dass meine letzten Faltübungen doch keine zig Jahre her sind, sondern auch in der Lerntherapeuten-Ausbildung vorkamen, das hatte ich ganz vergessen. Origami hat also nicht nur eine entspannende Wirkung, sondern auch eine pädagogische. Das fiel heute Abend schon auf, dass man damit zum Beispiel übt, sich zu orientieren, in welche Richtung man wann was falten muss und ein Gefühl dafür bekommt, was eine Hälfte oder ein Viertel ist. Heute Abend wollte niemand so recht glauben, dass ich im Kindergarten schon Tiere gefaltet habe. Dabei erinnere ich mich genau an Frösche und Schwäne und vielleicht konnte ich damals auch den Kranich schon. Und es wird so gewesen sein, denn Fröbel war es, der die Faltkunst aus Japan in die deutschen Kindergärten gebracht hat, da war sie in den 60er Jahren ganz sicher noch. © Dr. Birgit Ebbert www.papierzen.de