In der letzten Woche war ich endlich im Museum für Papier- und Buchkunst in Lenningen, das in einem bezaubernden kleinen Schlösschen oder Schlössle, wie die Schwaben sagen, untergebracht ist. Ein echtes Kleinod, dass Fans von Papier und Buchkunst unbedingt auf ihre To-Visit-Liste schreiben sollten.
Papier- und Buchkunst unter dem Dach
Schon das Konzept des Gebäudes ist faszinierend, unten befindet sich die Gemeindebücherei und darüber, hinter einem Gittertor wartet die Kunst. Den Kern bildet einerseits die Buchkunst, also die künstlerische Bearbeitung von Büchern. Ja, genau von Büchern. Es gibt auch einige vor allem historische künstlerische Buchgestaltungen und Künstlerbücher, aber vor allem erwarten die Besucherinnen und Besucher Bücher in künstlerischen Formen. Da wachsen Figuren aus Büchern heraus oder es kriechen Bücherwürmer aus einem Buch – ich gebe zu, letzteres Kunstwerk von Dieter Rot ist mein Lieblingsexponat.
Die Buchkunstwerke sind eingerahmt von Papierkunst, angefangen von einem Raum voller Papierblätter über Pappmaché-Schalen bis zu Porträts von Beuys, Warhol und Picasso aus Papierschichten. Was ich besonders interessant finde, ist die Entstehungszeit der meisten Kunstwerke. Sie stammen aus den 90er Jahren oder der Zeit davor. Ich habe in den letzten Jahren viele Papierkunst-Ausstellungen besucht, in denen es neuere Kunstwerke gab – teilweise von neuen, teilweise von denselben Künstlern. Ich beschäftige mich seit sieben Jahren mit Papierkunst und war wirklich überrascht, wie viele Künstler bereits vor 30 Jahren kreativ mit Papier gearbeitet haben. Manche Künstler habe ich wieder entdeckt wie den oben erwähnten Dieter Rot oder Martin Schwarz, von dem ich vor 30 Jahren eine Ausstellung in Leinfelden besucht habe.
Im dritten Teil der Ausstellung finden sich historische Exponate aus Papier wie Ausschneidebögen, Glanzbilder, Scherenschnitte, Glückwunsch- und Andenkenbildchen. Hier können die Besucherinnen und Besucher in Erinnerungen schwelgen oder sich Gedanken über ihre eigene Papierkindheit machen, es ist auch Raum für eigenes kreatives Gestalten mit Papier. Eine vielseitige Ausstellung, die ganz nebenbei auch noch einiges über die Geschichte des Papiers und der Buchkunst verrät.
Zur Geschichte der Ausstellung
Das Gebäude, in dem sich das Museum befindet, ist über 400 Jahre alt! Das Schlössle wurde von 1593 bis 1596 von den Herren Schilling von Cannstatt als Adelssitz gebaut und seither gab es kaum Veränderungen. Die notwendigen Einbauten wie die Treppe wurde deutlich in das Gebäude hineingesetzt, um so wenig Ursubstanz wie möglich zu beschädigen. Was gelungen ist. An den Wänden kann man teilweise noch die frühere Bemalung erkennen.
Die Exponate aus dem Museum für Papier- und Buchkunst sind der Papierfabrik Scheufelen aus Oberlenningen zu verdanken, die auch das Konzept für das Museum entwickelt hat und zwar zum 100-jährigen Jubiläum der Erfindung des Kunstdruckpapiers, das Adolf Scheufelen 1892 erfunden hat. Die Papierfabrik Scheufelen existiert nicht mehr, aber das Museum bleibt mit ihrem Namen verbunden. Der Start des Museums 1992 erklärt auch, warum ein Großteil der Kunstwerke aus der Zeit bis 1992 stammen. Es kommen allerdings immer neue hinzu und es finden Sonderausstellungen von Papierkünstlern unserer Zeit statt wie jetzt gerade „Brandobjekte“ und die Installation „Der Weg nach Mutlangen und 33 Bücherverbrennungen“ von Max G. Bailly. © Dr. Birgit Ebbert www.papierzen.de
Weitere Informationen über Öffnungszeiten und Ausstellungen finden wich unter www.kultur-im-schlössle.de