Ich finde, man kann die Geschichte des Papierfaltens nicht chronologisch erzählen, weil sie zu unterschiedlichen Zeiten in verschiedenen Regionen auf unterschiedliche Weise entwickelt wurde. Natürlich liegen die Ursprünge des Papiers im asiatischen Raum und den Aspekt der Entspannung sowie den Bezug zwischen Papier falten und Meditation werden dort früher deutlich als in Europa. Aber aus Europa gibt es Belege, dass bereits im 17. Jahrhundert Servietten, damals noch aus Stoff und in Herrschaftshäusern zu finden, gefaltet wurden.
Mich stört ebenso, dass die Rolle von Friedrich Fröbel kaum bekannt ist außer bei ErzieherInnen, die in den 70er- oder 80er-Jahren ausgebildet wurden und dabei die Fröbel-Faltpädagogik kennengelernt haben. Erst kürzlich traf ich eine Origamistin, die noch nie den Begriff „Schönheitsform“ von Fröbel gehört hatte und nicht wusste, dass die Kindergärten in Japan auf der Grundlage des Fröbel-Kindergarten-Konzepts aufgebaut wurden und das Papierfalten dadurch dort in die Frühpädagogik einzog. Deshalb sind hier einige Momentaufnahmen, die die Geschichte des Papierfaltens stützen.
1797 ist erstmals in einem Buch von den 1.000 Kranichen die Rede, Senbazuru Orikata publizierte „Folding 1.000 Cranes“. Wenn ich die Beschreibungen aus dem Internet richtig verstanden habe, beschreibt er, wie sich aus einem Papier viele kleine Kraniche am Stück falten lassen, eine Vorform der heutigen Tessallation-Technik quasi. Das zeigt auch, dass viele Formen des Origami schon sehr alt sind, deshalb nervt es mich , wenn einzelne Origamians ein Urheberrecht auf Figuren anmelden. Natürlich finde ich es nicht toll, wenn meine Projekte nachgemacht werden, aber letztlich sind sie eine Zusammenführung oder Variation von lange bekannten Formen.
1845 entstand eine weitere Sammlung von Origami-Figuren, die „Kayaragusa“ (The Kann No Mado or Window on Midwinter), die 1961 erstmals veröffentlicht wurde. Sie enthält bereits Figuren, die sich heute in manchen Origami-Büchern finden, einen Krebs, einen Tintenfisch, einen Drachenflieger und „Faltmenschchen“, um die Nähe zu Strichmenschchen zu bezeichnen 🙂
Wie es danach in Japan mit dem Papierfalten weiterging, ist nicht nachgewiesen – vielleicht habe ich auch noch nicht die passende Quelle gefunden :-(, auch über die Entwicklung des Origami in China im 19. Jahrhundert ist wenig bekannt. Dafür gibt es eine Veröffentlichung aus den 1850er-Jahren über die Faltformen von Friedrich Fröbel, Beschreibungen der Faltungen inkl. Tafeln der sog. Lebens- und Schönheitsformen. Die Lebensformen sind gefaltete Bücher, Häuser, Bänke etc., Elemente aus dem Leben eben, während die Schönheitsformen Faltelemente sind, die die Schönheit von Strukturen zeigen. Friedrich Fröbel war auch der Erfinder der Kindergärten und Papierfalten gehörte für ihn zu den Techniken, mit denen Kinder Fertigkeiten und Kenntnisse erwerben. Heute ist das in den Kitas teilweise vergessen und gilt als verstaubt, dabei gibt es auch heute keine vergleichbare Fertigkeit, bei der gleichzeitig Genauigkeit, Konzentration und mathematische Grundbegriffe vermittelt werden. In Japan ist es hingegen noch immer üblich, in pädagogischen Einrichtungen zu falten. Mir ist auf der Buchmesse und auf der Paperworld aufgefallen, dass es dort viel mehr Faltmaterialien für ErzieherInnen und LehrerInnen gibt.
Papierfalten in der Kunst
1896 schrieb ein Journalist im „The Strand“ Magazin über den Magier David Devant, der mit Papier falten das Londoner Publikum verzaubert hat. Ich erinnere mich – nicht an dieses Ereignis natürlich :-), aber daran, dass ich als Kind Zaubershows gesehen habe, bei denen Papier eingesetzt wurde und mein Vater den einen oder anderen Papierzaubertrick beherrschte. Als Kind hat mich am meisten fasziniert, wie er aus einem Zeitungspapier eine Palme entwickeln konnte.
Ebenfalls 1896 erschien ein Artikel von Leo Tolstoi über die Frage „Was ist Kunst?“, in dem er Papierfalten erwähnt. Den Artikel sollte ich vielleicht der Künstlerin schicken, die mir erkläre, meine Papierbilder entsprächen nicht den „Objektiven Kriterien“ für Kunst. In dem Artikel wurde ein Vogel erwähnt, dessen Flügel sich bewegen lassen, indem man am Schwanz zieht. Nebenbei bemerkt, den Vogel habe ich noch nie hinbekommen, aber ich bleibe dran 🙂
Es ist auch bekannt, dass der Schriftsteller Lewis Carroll gerne Papierfiguren faltete, vor allem Papierschiffchen, ein Kind aus seinem Umfeld erwähnt dies in einem Brief aus dem 19. Jahrhundert.
Und Adolphe Piot malte im 19. Jahrhundert ein Bild von einem Mädchen, das mit gefalteten Vögeln spielt und im Vorkurs bei Josef Albers am Bauhaus wurde auf jeden Fall Papier zu Kunst verarbeitet.
Ich forsche weiter und sammle alte Bastelbücher, die zeigen, dass Papierfalten auch in Europa eine Tradition hat.
In diesen Artikeln geht es um die Geschichte des Papierfaltens
Des Kindes erstes Beschäftigungsbuch (1877)
De jonge Werkman (1881)
Eine Pyramide falten nach Sperl (1900)
Minhas Dobraduras (1945)
Menko oder Patenbrief (1734 / 1831)
The Golden Venture (1933)