Installation mit Werken Lora Bert

Gestern habe ich mich spontan entschieden, nach Hamm zur Eröffnung der Ausstellung „Faszination Papier“ im Gustav-Lübcke-Museum zu fahren – und ich habe es nicht bereut. Im Gegenteil, ich kam beschwingt mit neuen Eindrücken und Inspirationen nach Hause und werde auf jeden Fall noch einmal hinfahren, wenn die Papierinstallation in der Stadthausgalerie ab dem 18.11. zu sehen sein wird.

Vernissage der Ausstellung „Faszination Papier“

Ich weiß, die Vernissage ist Vergangenheit, aber sie hat Impulse und Eindrücke hinterlassen, die auch über den Tag hinaus interessant sind. Obwohl ich mich nun schon seit Jahren mit Papier beschäftige, wusste ich bisher nicht – oder hatte bei den Führungen zur Papierherstellung nicht aufgepasst, dass für die Herstellung eines DINA4-Papieres zehn Liter Wasser benötigt werden, worauf Kuratorin Dr. Diana Lenz-Weber aufmerksam machte. Mögen es acht oder elf Liter sein, sich klar zu machen, welche Ressourcen für ein Material, das wir täglich nutzen und wegwerfen, verwendet werden, finde ich wichtig. Umso mehr ärgere ich mich, wenn ich Honorarverträge mit Behörden noch immer auf Papier und in einem DINA4-Umschlag bekomme. Für einen dreiseitigen Vertrag doppelt ausgedruckt mit Anschreiben und Umschlag werden also 90 Eimer Wasser verplempert. Doch zurück zur Vernissage, was ich so besonders fand und ihr leider nicht nacherleben könnt, waren die Verbindung zwischen Kunstwerken und Musik, die der Pianist Christoph Vatheuer, davon hätte ich gerne noch mehr gehört.

Die Ausstellung „Prêt-à-papier“

Kleider aus einer Variation der Sonobe-Technik

Da die Veranstaltung gut besucht war und nicht alle Gäste gleichzeitig in den Raum mit den Papierkunstwerken konnten, habe ich als erstes die Ausstellung mit Mode aus Papier von Studierenden des Düsseldorfer Mode Design Colleges angesehen. Hier fand ich übrigens die meisten Objekte aus gefaltetem Papier, u. a. tatsächlich ein „Kleid“ oder ein Accessoire aus Steckorigami und ein Kleid aus einer Variation der Sonobe-Technik. Ein Kleid war aus einer Papierbahn in einer Technik gefaltet, die ich bei Eric Gjerde gelernt habe, so etwas aus weißem Papier so hinzubekommen, dass das Papier auch am Ende weiß ist, ist schon eine Leistung und die Idee fand ich natürlich super. Schon von dieser Begleitausstellung war ich begeistert, sie war eine schöne Ergänzung zu den Papierkleidern von einem Berufskolleg in Menden, die ich vor einigen Jahren auf der Creativa gesehen habe. In der Ausstellung ist übrigens auch der Papierfächer zu sehen, der die Kuratorin von 1 ½ Jahren auf die Idee zu dem Thema brachte!

Die Ausstellung „Faszination Papier“

Aber nun zur Ausstellung, die mit „Faszination Papier“ genau den richtigen Titel trägt. Ich habe in den letzten Jahren einige Ausstellungen mit Papierkunst erlebt und doch wieder ganz neue Eindrücke bekommen. Einige Werke bzw. Künstler kannte ich aus der vorletzten Coda PaperArt in Appeldoorn und einer Ausstellung in der Marta Herford, aber vieles hatte ich so noch nicht gesehen. Leider liegt der Katalog erst im Oktober vor, daher muss ich mich durch meine Fotos hangeln, um die Faszination zu vermitteln. Am Beginn der Ausstellung wurden die Besucher:innen von einer kleinen Vitrine mit gefalteten Objekten empfangen. Ich war schon daran vorbei, als ich auf dem Schild daneben „Toilettenpapierrolle“ las. Das hat mich neugierig gemacht und tatsächlich, oben in der Ecke, über dem Löwen, hatte sich ein knatschiges Gesicht aus dem Pappkern, wie er in der Toilettenpapierrolle von Junior Fritz Jacquet  befindet, versteckt.

Falten und Knicken waren nur zwei Techniken, mit denen die 31 Künstler:innen aus der ganzen Welt Papier bearbeiten. Mir schien, dass besonders viele geschnittene Werke vorkamen, besonders beeindruckend war da sicher der überdimensionale Scherenschnitt von Annette Schröder, der mich an die Bilder von Erika Schirmer erinnerte. Teilweise wurde nach dem Falten, Knicken, Knüllen, Reißen, Schneiden o.ä. des Papiers mit Farbe gestaltet, wie bei den „Serpentinen“ von Michhael Velliquette. Die Vielfalt der Kunst zeigte sich nicht nur in der Technik der Bearbeitung, sondern ebenso in der Auswahl des Papiers – vom Seidenpapier bis zur Wellpappe war alles vertreten. Manchen Kunstwerken sah man an, dass die Künstler:innen viele Stunden, Tage und Wochen daran gearbeitet hatten, u. a. den Bildern von Nathalie Boutté, die zu meinen Favoriten zählen, weil ich die Idee so einfach und gleichzeitig genial finde.

Papier und Text

Einige Werke haben mich an meine Papieranfänge vor sechs Jahren erinnert, als ich nach Wegen gesucht habe – Texte in Papier unterzubringen. Zwei Techniken habe ich in den Werken von Corinna Krebber neu entdeckt, einen ausgeschnittenen Bandwurmsatz, bei dem ich über die ersten Buchstaben nicht hinausgekommen wäre 😊, und einer Collage aus Worten aus Zeitungen mit Stecknadeln aufgespießt (siehe Foto rechts). Und auch Lora Bert hat einen Text von Kant in ihrem Werk aus Japanpapier und Pappe (siehe Beitragsbild). Ach ja, von einem Besucher habe ich den Begriff „türkisches Papier“ gelernt, jetzt habe ich nachgeschaut, es ist nichts anderes als marmoriertes Papier, das außerdem als Tunkpapier oder venezianisches Papier bezeichnet wird. Ihr seht schon, die Ausstellung bietet viele Inspirationen und wer alle Künstler:innen und ihre Werke bereits kennt, kann sie hier erneut auf sich wirken und sich davon inspirieren lassen.

„La jeune fille aux oiseaux“ von Nathalie Boutté

Die Ausstellung läuft vom 14. August 2022 bis zum 15. Januar 2023, es gibt dazu die erwähnte Mode-Ausstellung und eine Papierinstallation in der Stadthaus-Galerie. Am 15. Januar findet eine Finissage statt. Dazwischen finden diverse Mitmachaktionen für Kinder, öffentlich und von Schulklassen buchbar. Ein Highlight ist sicher das h4 KulturFest „Auf`s Papier gekommen“ vom 9. bis 11. September im Gustav-Lübcke-Museum und drumherum. Weitere Informationen und Bilder von Kunstwerken: www.museum-hamm.de © 2022 Dr. Birgit Ebbert www.PapierZen.de